Beim Stichwort Unternehmenswert gehen die Meinungen naturgemäß auseinander. Da seht die Sichtweise derjenigen, die ein Unternehmen verkaufen möchten – und auf der anderen Seite stehen die potenziellen Käufer. Um diesen Konflikt zu entschärfen wurden eine Reihe von Bewertungs-Methoden entwickelt mit dem Ziel einen möglichst objektiven Bewertungsansatz zu finden. Im folgenden Beitrag nehmen wir aus der Berater-Praxis Stellung zu zwei gängigen Verfahren.
Unternehmens-Bewertung/Marktwert berechnen
Was ist Ihr Unternehmen, Ihr Verlag wert?
Grundsätzlich ist ein Unternehmen genau so viel wert, wie ein Dritter bereit ist dafür zu bezahlen. Diese Kernaussage relativiert schon mal viele Fehleinschätzungen auf beiden Seiten (Verkäufer – Käufer). Da auch bei diesem Ansatz eine Verhandlungsgrundlage hilfreich ist, gibt es eben Bewertungsmethoden. Aber auch die Bewertungspraxis hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert.
Ertragswertverfahren
Bis vor wenigen Jahren war das Ertragswertverfahren der unangefochtene Standard bei der Wertermittlung. Das vom Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. standardisierte sog. IDW S1-Gutachten war bislang eine feste Größe, zumal das Verfahren auch vor Gericht als das gängige Verfahren anerkannt ist. Das gilt auch – und das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor – bei Streitigkeiten, die vor Gericht gelandet sind.
Vereinfacht dargestellt besteht das Wesen der Ertragswertermittlung darin, dass (voraussichtlich) zukünftige Unternehmens-Gewinne auf den Stichtag des Verkaufs abgezinst werden. Man nennt das auch das Prinzip der „ewigen Rente“. Man unterstellt bei dabei, dass das Unternehmen eine unendliche Lebensdauer hat. Und die (unendlichen) Reihen der prognostizierten Gewinne werden mit einem Kapitalisierungszinssatz auf einen bestimmten Stichtag abgezinst. Die Ertragswertbetrachtung stellt den Verkäufer bzw. Inhaber/Gesellschafter in den Fokus. Denn wenn ein Unternehmer seine Firma verkauft, dann entgehen ihm natürlich die zukünftigen Gewinne, die er – wenn er nicht verkaufen würde – Jahr für Jahr zinsbringend risikolos anlegen könnte. Und mit dem daraus resultierenden Ertragswert wird der Wert ermittelt, der den Verkäufer für diesen Verlust nach dem Verkauf entschädigt. Der Ertragswert als Unternehmenswert ist demnach das Äquivalent dafür.
Der Ertragswert wird durch die Division des (voraussichtlichen) künftigen jährlichen Überschüsse durch den Kapitalisierungszinssatz ermittelt.
Beispiel: künftiger Ertragsüberschuss 200 TEUR – Kapitalisierungszinssatz 4% = Ertragswert 5,0 Mill. EUR.
Und hier liegt auch ein Problem der Methode in der heutigen Prexis: Je niedriger der Kapitalisierungszinssatz, desto höher der Ertragswert. Das liegt in der Natur der Betrachtung: Je niedriger der Kapitalisierungs-Zinssatz ist, desto mehr Geld in Form des Kaufpreises braucht der Verkäufer für seine Kapitalanlage, um die durch den Verkauf verlorenen (abgezinsten) Gewinne auszugleichen. Ergänzend sei erwähnt, dass es auch noch diverse Stellschrauben/ Bereinigungsgrößen im Vorfeld gibt, wie z.B. den Risikofaktor.
Aber die Erkenntnis war in den langen Jahren der Niedrigzinsphase, dass durch diesen Umstand die ermittelten (theoretischen) Ertragswerte von Unternehmen sehr hoch wurden. Bei o.g. Beispiel und einem Kapitalisierungszinssatz von 2% läge der (theoretische) Ertragswert bei 10 Mill. Euro. Und dabei braucht man eigentlich nicht erwähnen, dass wohl kaum kein Interessent bereit ist, diesen hohen Preis bei 200 TEUR Jahres-Ergebnis zu bezahlen. Mit den steigenden Zinsen könnte die Ertragswertmethode allerdings wieder an Bedeutung gewinnen. Fairerweise muss man ergänzen, dass der ermittelte Preis ggf. durch Inflations- bzw. Risikoabschläge gemindert wird, die wir
Multiple-Verfahren
Vielleicht aufgrund der Niedrigzinsphase und den Unsicherheiten des Ertragswertverfahrens bzw. der Fokussierung auf die Interessen der Verkäuferseite hat sich in den vergangenen Jahren das sog. Multiple-Verfahren in der Bewertungspraxis immer stärker etabliert.
Das Multiple-Verfahren ist betriebswirtschaftlich gesehen kein Bewertungsverfahren, sondern der Versuch, aus bereits getätigten Verkäufen in unterschiedlichen Branchen einen Wertansatz (Multiple) für künftige Verkäufe zu ermitteln. Bei der Anwendung der Multiple-Methode gibt es zwei wesentliche Stellschrauben: Das EBIT oder z.T. auch EBITDA (Definition s.u.) und den Multiplikator. In der Praxis bedeutet das, dass das (bereinigte) EBIT oder EBITDA mit einem Branchenfaktor multipliziert wird. Beispiel jährliches EBIT = 100 TEUR x Branchenmultiple (z.B.) 4,0 = Unternehmenswert 400 TEUR.
EBIT ist die Abkürzung von Earnings before Interest and Taxes. Gemeint ist der Gewinn vor Zinsen und Steuern, also im Prinzip das Betriebsergebnis. EBITDA ist die Abkürzung von Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization, d.h. es werden neben Zinsen und Steuern außerdem die Abschreibungen herausgerechnet.
Wichtig ist, dass im Vorfeld das EBIT oder EBITDA geprüft und ggf. um außerordentliche Faktoren bereinigt wird. Die Schwierigkeit besteht dann bei der Wahl bzw. dem Ansatz des „richtigen“ Multiplikators. Dafür gibt es von unterschiedlichen Seiten/Institutionen ermittelte Multiple-Tabellen, die auf Erfahrungs- bzw. Vergangenheitswerten beruhen. Aber es gibt keine „amtliche“ Tabelle. Diese Uneinheitlichkeit der Multiples stellt eine große Unsicherheit dar, zumal das Multiple bzw. dessen „Höhe“ ja eine erhebliche Hebelwirkung in Bezug auf den Unternehmenswert hat.
Wir können an dieser Stelle nicht alle gängigen Multiple-Tabellen darstellen. Wir haben uns entschieden beispielhaft die Tabelle der Deutschen Unternehmerbörse (DUB, www.dub.de/kmu-multiples/, Stand Q1/2023) heranzuziehen. In der branchenübergreifenden Gesamtbetrachtung liegen die Multiple-Durchschnittswerte in einer Range von 4,4 und 6,9.
Für den Bereich Medien werden die Multiples mit 4,2 bis 7,0 angegeben. D.h. die Spannbreite (Hebel) ist relativ groß. Bei einem EBIT von 250 TEUR und einem Multiple von 4,2 liegt der Wert bei 1,05 Mill. EUR, bei einem Multiple von 7 bei 1,75 Mill. EUR. Im Medienbereich hängt die Höhe des angewandten Multiples u.a. vom Grad der Digitalisierung (digitale Umsätze, digitale Produkte), Vorhandensein von Abos etc. ab.
Im Vergleich der Methoden Ertragswert und Multiple ist trotz der Schwankungsbreite aktuell die Multiple-Methode näher an der Realität und in der M&A-Praxis aktuell die gängige Methode. Zum einen ist in einer schnelllebigen Zeit, in der sich Märkte, Produkte und Strukturen schnell verändern die „Ewigkeitsbetrachtung“ einer Ertragswertmethode zumindest mit einem großen Fragezeichen versehen. Ein weiterer Aspekt ist die Finanzierungsfrage bei Unternehmenskäufen. Auch im Hinblick auf die schnellen Veränderungen im Marktumfeld hat sich gerade bei Banken und Investoren die Meinung durchgesetzt, dass ein Unternehmenskauf bzw. der bezahlte Kaufpreis innerhalb von drei bis maximal fünf Jahren durch entsprechende Überschüsse inklusive der (aktuell steigenden) Zinsen (plus ggf. Risikozuschlag) zurückfließen muss. Wenn das nicht darstellbar ist, dann ist der Kaufpreis aus Sicht des Interessenten einfach zu hoch und ein Verkauf kommt möglicherweise nicht zustande. Oder man greift auf andere Modelle, wie z.B. den immer beliebter werdenden Earnout zurück und versucht einen Teil des Kaufpreise an Entwicklungen nach dem erfolgten Verkauf zu knüpfen.
Falsche Wahrnehmung
In der Beratungspraxis bei Unternehmensverkäufen werden immer wieder Beispiele für den Verkauf von Startups oder außergewöhnliche Projekte angeführt, für die Multiples von 10 oder 20 oder noch höhere angewendet wurden. Ja, diese Fälle gibt es, aber das ist die absolute Ausnahme und nicht die Regel. Ein weiterer Irrtum ist es zu glauben, dass große Unternehmen/Konzerne auf der Käuferseite eher bereit sind, höhere Kaufpreise zu bezahlen, weil dort die Finanzierung kein oder ein untergeordnetes Problem darstellt. Aber die Erfahrung zeigt: Gerade Konzerne haben eine klare und manchmal sogar sehr „enge“ Sichtweise in Bezug auf die Kaufpreisbetrachtung bzw. den Rückfluss des Kaufpreises und steigen dann aus dem Verkaufsprozess aus.
Eine ebenfalls verbreitete Fehleinschätzung ist die Bewertung vorhandener Potenziale. Verkäufer zählen häufig die Chancen und Potenziale auf, die das eigene Unternehmen hat und die der Käufer „nur“ noch zu erschließen braucht. Und diese Potenziale stellen schließlich nach Meinung der Verkäufer einen Mehrwert dar, der sich im Kaufpreis abbilden muss. Diese Sichtweise ist verständlich aber nicht unbedingt richtig. Denn erstens kauft ein Interessent nur ein Unternehmen, dass auch Potenzial hat und zukunftsfähig ist. Und zweitens muss man die Gegenfrage stellen: Wenn die Erschließung von Potenzialen so einfach und risikolos ist, warum hat der Verkäufer die Chance nicht schon längst selbst genutzt? Auf den Punkt gebracht: Entwicklungspotenziale steigern das Interesse, werden aber i.d.R. nicht extra vergütet.
Der beste Weg
Der beste Ansatz, um im Falle einer geplanten Veräußerung das beste Ergebnis zu erzielen ist es, den Verkauf zwei bis drei Jahre vorzubereiten. Wenn man die Möglichkeit hat, einige Jahre vor dem Verkauf das Unternehmen zu bewerten und Schwachstellen, aber auch Stärken ausmachen kann – und dann die Schwachstellen abstellt und idealerweise die Stärken ausbaut, dann lassen sich auch entsprechende Unternehmenswerte erzielen.
Eulenhof Consulting GmbH
Planen Sie Ihre Nachfolgeregelung?
Martin Julius Bock
Unser Expertenteam ist auf die Beratung innerhalb der Nachfolgeplanung und Begleitung der Nachfolgeregelung bei Verlagen und Medienunternehmen spezialsiert.
Vereinbaren Sie ein kostenfreies Erstgegespräch, um zu erfahren, wie Ihre Nachfolgeplanung im Detail aussehen kann.
Martin Julius Bock
Geschäftsführender Gesellschafter